Überblick

Der am Neckar gelegene Stadt­teil Neuenheim hat eine bei Wei­tem längere Geschichte als Heidel­berg. Schon in der Römerzeit gab es hier - von ca. 50 bis 250 Jahre nach Christi Geburt - ein römisches Kastell (castrum novum) und eine Siedlung, die an einem Knoten­punkt wichtiger Verkehrsführun­gen (Handelswege, Militärstraßen) lagen. Als eigenständige dörfliche Ansiedlung wurde Neuenheim erstmals 765 im "Lorscher Codex", also lange vor der Gründung Hei­delbergs im Ausgang des 12. Jahr­hundert, erwähnt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts, 1891, wurde das damals noch ärmliche Dorf Neu­enheim eingemeindet, was eine rapide Bautätigkeit von Seiten der Heidelberger Universität und rei­cher Bürger zur Folge hatte. Die Geschichte Neuenheims ist - im Gegensatz zu derjenigen vieler anderer Stadtteile - noch nicht sehr ausführlich dargestellt.

Heute hat Neuenheim 14 200 Einwohner, darunter viele Akade­miker und Angehörige der geho­benen Mittelschicht; aber auch Handwerker, kleine Gewerbetrei­bende, Studenten und einkom­mensschwache ältere Bürger, die im Zuge von "Sanierungen" einem allmählichen Verdrängungsprozess ausgesetzt sind. Es sind - bereits seit Ende des letzten Jahrhunderts -vor allem einkommensstarke Schichten, die sich in bevorzugte Wohnlagen einmieten oder einkaufen - und damit die gewachsene Struktur des Stadtteils verändern. Dieser Veränderungsprozess wurde durch die Bautätigkeit seit den 60er Jahren dieses Jahrhunderts enorm verstärkt, so dass ein Gespräch mit älteren Bewohnern Neuenheims heute bereits wie eine Zeitreise in eine fremde Welt empfunden wer­den kann.

Nachdem die Heidelberger Altstadt mit der längsten Fußgängerzone Europas zum Einkaufszentrum für die ganze Region geworden ist und infolge dessen unter akuter Parkplatznot leidet, gilt Neuenheim um so mehr als ruhiges Ausweichgebiet. Der sich ändernden Wohnstruktur scheint allerdings nicht in gleichem Maße eine sozial-kommunikative Struktur an Nachbarschaftsverbindungen, Kneipen und anderen Treff­punkten zu folgen. Neuenheim ist heute - vor allem in den Augen ju­gendlicher Bewohner - eine "Schlafstadt" geworden, die außer der Neckarwiese (im Sommer) nicht viele Attraktionen zu bieten hat. Ge­rade im Vergleich zu Erzählungen der Großväter- und Großmütterge­neration aus ihrer Jugend werden hier Verluste deutlich.

Kulturell ambitionierte Projekte - wie beispielsweise das diesem Text zugrunde liegende Videoprojekt mit Neuenheimer Jugendlichen und Senioren - sind von daher für den Stadtteil zu begrüßen.

Wer die hier im Begleitheft gegebenen Informationen vertiefen will, der kann auf den Band "Neuenheim im Wandel - Eine Sozialgeschichte in Bildern - Von 1870 bis 1950" (Meinhold Lurz / Daniela Vogt) zurückgreifen.

Detlef Zeiler