Heidelberg: Entstehung und Namensgebung
Vermutlich während der Amtszeit Pfalzgraf Rudolfs entstand unter seiner Burg ein Versorgungssiedlung, die später als Heidelberg bezeichnet wurde. Burg und Siedlung gehörten den Bischöfen von Worms, und die Pfalzgrafen nahmen sie von ihnen zu Lehen. Das genaue Entstehungsdatum der Stadt Heidelberg ist bis heute unbekannt geblieben.(2) Laut einer Urkunde des Klosters Schönau steht jedenfalls fest, daß Heidelberg mit Sicherheit seit dem Jahre 1196 existierte und daß ein Leutpriester (plebanus) an der Peterskirche, der älteren und eigentlichen Pfarrkirche der Stadt, seinen Dienst versah. Möglicherweise unterstand Heidelberg als staufische Gründung aber auch zunächst dem Reich, bevor es dem Bischof von Worms und später dem Pfalzgrafen bei Rhein zu Lehen gegeben wurde. Für diese zweite These spricht die Tatsache, daß Heidelberg bis zum Jahre 1289 den Reichsadler in seinem Wappen trug.
Auch die Bedeutung des Namens "Heidelberg" hat die Phantasie der Stadthistoriker beschäftigt: Jahrhundertelang glaubte man, daß der Name auf eine Kürzung des Wortes "Heidelbeerberg" zurückgeht, zumal es hier in der Gegend reichlich Heidelbeeren gab. Weniger verbreitet war die natürliche Erklärung, daß der Ortsname von Heide bzw. von Heidekraut abgeleitet sei, das den Geißen vom Gaisberg zur Nahrung diente. Wahrscheinlicher scheint jedoch die Ableitung von "Heidenberg", wie sie E.J.G. Stumpf annimmt: "Der nördliche Königstuhl führte in swebisch-alemannischer Zeit den Namen Alaberg als Beiname. Mit dem beginnenden Christentum in unserer Gegend, also von 500 n.Chr. an, bezeichneten die Christen den Berg als den "Heiden-Alaberg". Die Aussprache des langen Wortes wurde dem Volk nach einigen Jahrzehnten lästig und es ging immer mehr zur Kürzung über. Es sagte: "Heidalberg". Eine weitere Wandlung machte aus al das mundgerechte el, womit der Name Heidelberg fertig geprägt war. (ca.um 900). Der Urname von Heidelberg (Heidel-Alaberg) bezog sich nur auf den Berg, nicht auf die Ansiedlung im Tal, die einen anderen Namen führte." (3) Das suebische Wort "Ala" war vieldeutig und konnte sowohl den Hain, in dem die Götter verehrt wurden, als auch in späterer Zeit eine Höhle bezeichnen, wie z.B. diejenige, in der die heidnische Seherin Jetta gewohnt haben soll, die der Sage nach am Wolfsbrunnen von Wölfen zerrissen worden war. Die Heidenberg-These stützt sich im übrigen auch noch auf die Bezeichnungen "Heidenknörzel" und "Heidenloch". Auf dem "Heidenknörzel" lagen Hügelgräber; das "Heidenloch" stammt aus einer früheren, nach damaligen Vorstellungen unbekannten Zeit. Unter "Heiden-Zeit" verstand man einfach einen weit zurückliegenden Zeitabschnitt, wie die Bezeichnungen "Heidengräber" (Hühnengräber), "Heidenlöcher" (in der Pfalz), "Heidenmauer" (Limes) oder "Heidenturm" (römischer Turm in Köln) noch verraten.
Schließlich gibt es noch eine Erklärung des Ortsnamens, die auf einen Personennamen zurückgeht. Der fränkische Edle Heidilo soll auf den gegenüberliegenden Höhen des Heiligenbergs (dem Königstuhl, dem Gaisberg oder dem kleinen Gaisberg) eine feste Burg errichtet haben, die nach ihrem Besitzer Heidilburg genannt wurde und später der Ortschaft Heidelberg den Namen gegeben haben soll. (4)
In fränkischer Zeit wurde der Heiligenberg sowohl "Aberinsberg" als auch "Aberinsburg" genannt. Lange hielt man die zweite Version für einen Schreibfehler, während man spätestens nach den Ausgrabungen der 80er Jahre davon ausgeht, daß auf dem Heiligenberg tatsächlich eine fränkische Burganlage existierte, die nach einem fränkischen Edlen namens Aberin benannt wurde, der vom Heiligenberg Besitz ergriffen hatte und sich dort eine Burg errichten ließ. Für die Ableitung des Namens Heidelberg von dem Franken Heidilo spricht auch die Tatsache, daß Heidelberg in den älteren Urkunden meist "Heidilburg" geschrieben wurde.
Nach dem Tode des Pfalzgrafen Konrad von Staufen belehnte Heinrich VI. 1195 den Welfen Heinrich, den Sohn Heinrichs des Löwen, mit der Pfalz. Nach dem kinderlosen Welfen wurde die Pfalzgrafen wurde 1214 von dem Staufer Friedrich II. an den Wittelsbacher Ludwig I. von Bayern übertragen. Die Wittelsbacher blieben dann bis 1803 im Besitz der Pfalzgrafenwürde. Mit diesem Dynastiewechsel im Pfalzgrafenamt vollzog sich ein entscheidender Einschnitt in der pfälzischen Geschichte: War das Pfalzgrafenamt bisher nur die Summe von einzelnen Lehensrechten, die dazu berechtigten, im Auftrag des Königs Rechtsprechung und Verwaltung auszuüben, so begann mit den Wittelsbachern der Ausbau der Pfalz zu einem Territorialstaat (5). Aus der Pfalz als Amt entwickelte sich die Pfalz als Land.
Im Jahre 1225 wird der Pfalzgraf bei Rhein vom Bischof Heinrich von Worms mit " Burg und Burgflecken Heidelberg" (castrum in Heidelberg cum burgo ipsius castri) belehnt. Im Jahr 1303 werden zwei pfalzgräfliche Burgen in den Urkunden erwähnt, von denen die eine auf dem Jettenbühl, wo heute das Schloß steht, die andere auf dem kleinen Gaisberg an der Stelle der heutigen Molkenkur lag. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, welche von den beiden die ältere Burg war. Die Geister scheiden sich vor allem an der Überwachungsfunktion der beiden Burgen. Die untere Burg lag näher an der zu schützenden Siedlung. Dagegen war der südliche Berghang im Rücken des heutigen Schlosses völlig ungeschützt. Lange Zeit hat man die 1537 zerstörte obere Burg auf der Molkenkur für die ältere gehalten und "altes Schloß" genannt. Die obere Burg hat auch die typische staufische Burganlage auf einem Bergsporn, wie z.B. die anderen Burgen im Neckartal in Hirschhorn, Zwingenberg und Neckarsteinach. Seit man bei Restaurierungsarbeiten des Friedrichsbaus 1897 spätromanische Architekturreste gefunden hatte, die eindeutig dem 13. Jahrhundert zugeordnet waren, galt als Lehrmeinung, daß die untere Burg älter sei und die obere erst nachträglich zur Deckung der Südflanke errichtet worden sei. Erst die Belagerung Heidelbergs durch König Albrecht von Habsburg im Jahre 1301 habe die Schwachstelle in der Verteidigung aufgezeigt und den Anlaß gegeben, den wunden Punkt im RÜcken der unteren Burg durch eine zweite Burg zu überdecken. (6) Gegen diese Ansicht spricht die Tatsache, daß die Südwestecke der unteren Burg äußerst schwach befestigt war, was nur im Zusammenhang mit einer bereits bestehenden oberen Burg einen Sinn ergibt.
Da der Weg durch das Klingenteichtal eine alte Heerstraße war (7), bleibt hier allerdings die Frage, ob man erst 1301 aus Schaden klug geworden ist und die Verteidigungslücke geschlossen hat. Schließlich gibt es zur Lösung dieser Streitfrage noch die Erklärung, daß die obere Burg zur Zeit der Entstehung der Stadt Heidelberg ziemlich heruntergekommen sei und für die Verteidigung der Stadt keine Rolle mehr spielte, aber nach der Stadtbelagerung verstärkt und vergrößert wurde. (8)
Vor der Gründung der Stadt Heidelberg bestand am Ausgang des Klingentales auf einem Schuttkegel, den das Bergwasser angeschwemmt hatte, ein vor dem Hochwasser des Neckars geschützter Weiler, in dem sich schon in früher Zeit Fischer, Jäger und Hirten angesiedelt hatten. Durch Funde bei den Ausgrabungen zwischen Bauamtsgasse und Schiffsgasse im Jahre 1986 ist die Existenz dieses Weilers endgültig bestätigt. Die Stadt Heidelberg geht jedoch nicht auf diese dörfliche Siedlung zurück, sondern ist eine planmäßige staufische Anlage, wie sie für das 13. Jahrhundert ganz typisch ist. Leider ist uns keine Gründungsurkunde der Stadt Heidelberg erhalten geblieben, ähnlich derjenigen der Stadt Freiburg aus dem Jahre 1120, in welcher der Gründer, Herzog Konrad von Zähringen, die Rechte und Freiheiten der Stadtbürger fest zugesichert hat. Ein vergleichbares Markt- und Stadtrecht wie in Freiburg hat es in Heidelberg allerdings auch nie gegeben. Welcher Anreiz bestand, sich in dem engen, stets von Hochwasser bedrohten Taldreieck niederzulassen, läßt sich noch am ehesten an der Urkunde der Eingemeindung Bergheims aus dem Jahre 1392 erkennen, in der den Bergheimern 15 Jahre Steuerfreiheit versprochen wird. Erst später, in der Stadtordnung von 1465, sind uns weitere Freiheitsrechte überliefert! Danach war die Leibeigenschaft der Heidelberger abgemildert worden, d.h. sie konnten sich innerhalb der Pfalz frei bewegen, frei heiraten und freien Handel treiben.