Stadtgründung - Stadtentwicklung Stadtverfassung

Der bestimmende Faktor für die Besiedlung und die kulturelle Erschließung des Heidelberger Raumes war die Gründung der Benediktinerabtei Lorsch im Jahre 764. In den Urkunden des Lorscher Codex werden lange vor der Gründung der Stadt Heidelberg heutige Stadtteile erwähnt: Neuenheim 765, Handschuhsheim 765, Rohrbach 766, Kirchheim 767, Wieblingen 767 und Bergheim 769. In diesen Siedlungen der karolingischen Zeit gab es bereits Dorfkirchen, z.B. in Handschuhsheim "St. Nazarius" (später St. Vitus) oder in Bergheim, wo die Kirchstraße noch heute daran erinnert. (1) In all diesen Orten wurden "Reihengräberfriedhöfe" gefunden, die auf vorchristliche Zeit verweisen können, aber auch bei Merowingern und Karolingern noch üblich waren.

Ein weiterer regionaler Machfaktor wurde das durch den Bischof von Worms 1142/45 gegründete Zisterzienserkloster Schönau, so daß sich in der Folgezeit die Besitzergreifung des Heidelberger Raumes mit dem Ziel der Beherrschung der Handelswege zwischen Rhein, Neckartal und Teilen des Odenwalds in ständiger Konkurrenz zwischen den Bischöfen von Worms und den Äbten von Lorsch vollzog.

Vom Streit zwischen den beiden kirchlichen Machtzentren, der auch schon einmal durch einen kaiserlichen Schiedsspruch (1023) geschlichtet werden mußte, profitierte eine weltliche Macht: die Pfalzgrafen bei Rhein, die seit 1136 den Titel "Comes palatinus Rheni" führten und unzusammenhängende Gebiete zu beiden Seiten des Odenwalds bei Mosbach beherrschten. Die eigentliche Geschichte der Pfalz beginnt im Jahre 1156 mit der Übertragung der Pfalzgrafenwürde an Konrad von Hohenstaufen durch seinen Halbbruder, Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa.

Das Amt des Pfalzgrafen war eines der ältesten fränkischen Reichsämter. In fränkischer Zeit stand der Pfalzgraf in der Umgebung des Königs und vertrat ihn im Hofgericht, was zur Entwicklung eines eigenen Pfalzgrafengerichts führte. In "Deutschland" gab es seit Otto I. Pfalzgrafen in Lothringen, Bayern, Schwaben und Sachsen, die als Vertreter königlicher Rechte ein Gegengewicht zur Herzogsgewalt bildeten, für die Rechtspflege und die Verwaltung des Reichsguts verantwortlich waren. Der bedeutendste unter den Pfalzgrafen war der von Lothringen mit Sitz in Aachen, der später Pfalzgraf bei Rhein genannt wurde. Erst mit dem Staufer Konrad verlagerte sich der Herrschaftsbereich der Pfalzgrafen nach Süden. Im 12. Jahrhundert wurde der Pfalzgraf bei Rhein Erztruchseß des Reiches und damit zum einflußreichsten Beamten am kaiserlichen Hofe, der die Aufsicht über die königliche Tafel und die gesamte Hofverwaltung hatte. Der Pfalzgraf bei Rhein war Vikar des Reiches und nahm in Zeiten des Vakanz auf dem Königsthron (Interregnum) die Stellung des Königs ein. Seine hohe Bedeutung kommt darin zum Ausdruck, daß er nach dem Prinzip der Ebenbürtigkeit Richter über den König war.

Seit 1214 (endgültig seit 1356) gehörte der Pfalzgraf bei Rhein zu den Kurfürsten (von althochdeutsch "kuri" = Wahl), die allein zur Wahl des Königs berechtigt waren. In älterer Zeit konnten alle Freien, später alle Reichsfürsten den König wählen. Seit dem staufisch-welfischen Thronstreit 1198 mußten die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein an einer gültigen Wahl beteiligt sein. Der "Sachsenspiegel" (1224-31) zählt zwei weitere Kurfürsten als "Vorwähler" auf: den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg. Mit der Doppelwahl von 1257 traten zum ersten Mal die sieben Kurfürsten als alleinige Königswähler auf (jetzt mit dem König von Böhmen). Bei der Wahl Rudolfs von Habsburg war das Kurfürstenkollegium ein geschlossener Wahlkörper. Seine Entstehung ist als Ergebnis der Interregna (königslose Zwischenzeiten) zu sehen. Durch Verhinderung der erblichen Thronfolge, durch Erwerb von Reichsgut und wichtigen Reichsrechten (Regalien) hatten diese Fürsten ihre Macht derart gestärkt, daß sie zu mächtigen Gegenspielern des Königs wurden und weit über den anderen Fürsten, Markgrafen und Grafen standen. Die "Goldene Bulle" des Jahres 1356 legt nur das Ergebnis dieses Prozesses in einem bis 1806 gültigen Reichsgrundgesetz fest. (Von "Kur"pfalz kann erst seit dem Jahre 1356, dem Jahr der Goldenen Bulle, geredet werden, als die Pfalz Kurfürstentum wurde)